KraftFahrKonsul
Bericht Ducati Multistrada 1100 S

Bericht Ducati Multistrada 1100 S

Die Ducati war tatsächlich ein kleiner Notkauf. Nach meinem Unfall und anschließender Genesung konnte ich meine alte ZX9-R nicht mehr weiterfahren. Durch die neuen anatomischen Voraussetzungen musste etwas Anderes her. Und da ich auch schon lange keine Lust mehr auf Inline Four hatte, kam mir wieder mein Thunfisch (für nicht-eingeweihte Aprilia Tuono) in den Sinn! Also 2 Zylinder müssen her. Gepaart mit einer menschenwürdigen Sitzposition und dem gewissen Etwas landet man sehr schnell bei der ersten Multistrada. Was haben die versammelten Fachpressejournalisten auf das Design der Maschine eingedroschen. Kaum ein Bericht, in dem es nicht um das „verunglückte“ Design einer doch „ganz passablen“ Maschine ging. Nun, dazu kann ich nur sagen: Mir hat das sofort gefallen. Im Grunde gefällt mir die gesamte Arbeit von Pierre Terblanche. Ja-auch die 999.

Allerdings gefiel mir auch die Arbeit von Chris Bangle bei BMW Anfang der 2000er Jahre ausgesprochen gut. Zurück zum Thema. Nach einiger Recherche und dem Abwägen der finanziellen Möglichkeiten wurde klar, dass es eine 1100er sein musste und eine S. Nicht, dass ich unbedingt in der Lage gewesen wäre / bin, die genauen Unterschiede zwischen dem Original Fahrwerk und der Öhlinsware zu erkennen – aber die goldene Gabel sah einfach nur super aus. Und ein qualitativ hochwertiges Fahrwerk kann nie schaden. Außerdem waren 1000 und 1100 preislich nicht besonders weit voneinander entfernt und eine Ölbadkupplung bietet durchaus Vorteile. Nach einiger Sucharbeit habe ich dann bei einem Händler in der Nähe einer legendären Rennstrecke meine Diva gefunden. „Diva“ nicht etwa, weil sie sich besonders kapriziös gezeigt hätte, sondern weil die beste Sozia von allen grundsätzlich jedem Gefährt einen Namen gibt wenn es nur eine gewisse Toleranzzeit im Besitz verbleibt. Jetzt ist Diva di Bologna zwar keine Eigenkreation aber doch irgendwie passend. Bei der Besichtigung war es bereits geschehen – dieses Gefühl, dieser Impuls, ich will das! Jetzt. Diese goldene Gabel, diese Carbonteile, dieser wüste und mechanisch stampfende Motor, dieser Geruch nach Öl und Benzin…. gekauft! Als der Endorphinrausch langsam nachließ und das Gehirn sich zurück meldete, kamen die ersten Zweifel. Hatte der Verkäufer nicht etwas von Performance-Krümmern gesagt? Ob das mal beim TÜV so durch geht. Ach was soll´s, dachte ich, sind jetzt eh 2 Jahre drauf und die Vergangenheit zeigte doch immer wieder, dass ich beim Thema Motorrad sehr schnell untreu werden kann und dann weiterziehe, weil ich wieder einmal der Meinung bin jetzt unbedingt Chopper fahren zu müssen oder etwas Ähnliches.

Schon die erste Ausfahrt offenbarte wie unterschiedlich sich knapp 90 PS darstellen können. Während die 86 PS auf meiner damaligen Lebensabschnittsgefährtin Bandit 650 gegen Ende der Beziehung irgendwie blutleer und etwas langweilig daherkamen, hatte ich mit den 90 PS des L-Twin meine wahre Freude. Den Hintern auf den Ducati Performance Gel Sätteln gebettet, den Servostarter arbeiten lassen und mit einem wunderbaren V2 -Stampfen erwachte die Multi zum Leben. Sobald die Reifen auf Temperatur waren, war es ein großer Spaß, die Maschine durch die Radien zu dirigieren. Durch die extrem schlanke Silhouette hat man eine unglaubliche Kontrolle über das Fahrzeug und es stellte sich sofort ein sehr vertrautes Gefühl ein. Die elektronischen Fahrhelfer, die man zu diesem Zeitpunkt schon kannte, Traktionskontrolle und ABS, muss man halt mit kontrollierter Gashand und vorsichtigem Bremszug kompensieren. Die Duc war mit serienmäßigen Koffern ausgerüstet, die auch eine ausreichende Größe hatten und sowohl mich als auch die Sozia in keinster Weise störten.

Leider konnte man das von den Gelsitzen nicht behaupten. Während die Sozia bei kühlerem Wetter noch von königlichem Sitzkomfort sprach, während mein Gesäß, aufgrund meines Gewichts, bereits nach relativ kurzer Fahrt anfing zu schmerzen, war bei Sonnenschein und Temperaturen oberhalb von 25 Grad der Sattel bereits nach kurzer Zeit so aufgeheizt, dass an einem spontane Weiterfahrt nicht zu denken war. Dennoch bekomme ich noch jetzt beim Schreiben dieser Zeilen ein Grinsen im Gesicht, wenn ich an die knapp über 100 NM denke, die der Luft-Ölgekühlte Motor zu einem so großartigen Gesellen machte. Anbremsen, durch die Kurve, im Scheitelpunkt wieder beschleunigen, freuen und wieder von vorne. Ein Erlebnis, welches ganze Tage füllte und bis heute nachhallen. Insgesamt betrachtet war die Zeit mit der Ducati ein sehr schöne und wurde nur beendet, da durch einen zufälligen Anstieg des Spaßbudgets mein absoluter Motorradtraum in greifbare Nähe kam….die GS. Hierzu aber in einer anderen Geschichte. Für wen ist die Ducati Multistrada 1100s geeignet? Auf jeden Fall für Freunde des analogen Fahrens mit wenig bis gar keinen technischen Bevormundungen. Für Leute, die auch etwas gegen den Mainstream laufen können und denen es vielleicht sogar gefällt, nicht die 23. GS am Moppedtreff zu haben. Durch die schlanke Taille und den grandiosen Motor, sowohl allein als auch zu zweit, ein toller Partner für die kleine oder große Tour. Für wen ist Sie nicht so geeignet? Wer auf japanische Perfektion setzt und keine Lust hat sich mit dem Motorrad auseinanderzusetzen. Der die kleinen Besonderheiten wie die, trotz Ölbadkupplung, recht schwergängige Kupplung, das V2 typische Stampfen und Schlagen bei niedrigen Umdrehungen, Thema Spitzkehren fahren, nicht akzeptieren kann. Den es vielleicht stört, dass der Motor nicht zu 100 % dicht ist und dass das eine oder andere Verkleidungsteil eher lässig montiert wurde. Das der Verbrauch und die etwas erhöhten Wartungskosten (mit Desmocheck kann das schon 4 stellig werden) Ihren Teil dazu beitragen dass die Unterhaltskosten nicht als gering bezeichnet werden können und die Buchhalterfraktion Schweißperlen auf der Stirn bekommt, macht die Sache dann recht klar.

So ein Motorrad möchte man fahren-als schnödes Transportmittel um günstig von A nach B zu kommen ist sie eh viel zu Schade. Wobei die Anschaffungskosten doch relativ gering sind. Meine 1100 s mit jede Menge Zubehör hat damals beim Händler mit frischer Durchsicht und TÜV knapp 3800 € gekostet. Und damit wäre auch wieder die Buchhalter Fraktion mit im Boot – denn was sind meistens die höchsten Kosten im Betrieb eines Fahrzeugs? Genau, der Wertverlust! Und der fällt hier quasi aus. Egal, wie hoch die KM steigen, man findet kaum etwas unter 3.000 € Selbst die etwas zu dünne 620er gibt es nicht für Kleingeld. Ich werde sie auf jeden Fall vermissen und sie zählt zu der Rubrik “Hätte man besser mal behalten”

Viele Grüße

Der Konsul

Technische Daten:

Hubraum: 1078 cm³

Leistung: 86 PS bei 7.750 U/m

Drehmoment: 102,9 NM bei 4.750/min

Leergewicht: 196 kg